Christentum
Der historische Jesus
1 Der historische Jesus
Der historische Mensch Jesus ist von dem geglaubten Gott Jesus Christus zu unterscheiden. Jesu Anhänger machten aus dem jüdischen Rabbi nach dessen Tod den menschlichen jüdischen Messias bzw. Knecht Gottes nach
Jesaja 53, der als Gesandter Gottes die Welt erlöst. Das Urchristentum war zu dieser Zeit eher eine jüdische Sekte.
Die Passionsgeschichte (Leidensgeschichte) Jesu ist nach den Ergebnissen der ungebundenen Bibelkritik weitgehend legendär. Vorlage der Leidensgeschichte sind Jesaja 53 und andere Stellen aus dem Alten Testament, aber auch heidnische Vorstellungen, etwa der Vergöttlichung von Menschen, die nicht nur bei griechischen Heroen, etwa Herakles, sondern etwa auch bei Alexander dem Großen oder römischen Kaisern zu finden ist.
Der in Nazareth aufgewachsene Zimmermannssohn Jesus lehrte wohl als Rabbi und Wanderprediger in Galiläa und wurde in Jerusalem nach Auseinandersetzungen über die Auslegung des jüdischen Religionsgesetzes mit
Pharisäern und den Hohepriestern des Tempels in Jerusalem auf deren Betreiben durch die römische Besatzungsmacht als (angeblicher) politischer Aufrührer gekreuzigt. Auf die Rolle der Juden bei diesem Prozess, wie sie in den Evangelien geschildert wird, geht der christliche Antijudaismus zurück, der nicht mit rassistischem
Antisemitismus zu verwechseln ist, aber trotzdem in bestimmten historischen Situationen Judenpogrome (Ausschreitungen gegen Juden) und Morde an Juden sowie eine Minderberechtigung der Juden in christlichen Gesellschaften hervorgebracht hat.
2 Glaubensüberzeugungen des historischen Jesus
„Neben der Proklamation des nahen Gottesreiches (ein Irrtum Jesu) stand offenbar im Mittelpunkt der Predigt Jesu das Gebot der Liebe, Liebe zu Gott und zum Nächsten, auch zum Feind. Eine Tendenz zur äußersten Radikalität scheint ihn beherrscht zu haben: Kampf gegen Kult und zur Schau gestellte Frömmigkeit, gegen die Selbstgerechten und Richtenden, gegen die Unterdrückung der Schwachen, die Ausbeutung der Armen, gegen Gewalt, Wiedervergeltung und Mord. Dies dürften wesentliche Züge seiner Verkündigung gewesen sein.“ (Karlheinz Deschner: Abermals krähte der Hahn. Eine kritische Kirchengeschichte 2. Auflage, Genehmigte Taschenbuchausgabe Juli 1996, Goldmann Verlag, S. 153)
Weil Jesus an das nahe Ende glaubte, war seine zentrale Aussage: Kehrt um! Tut Buße!
3 Woher wissen wir, dass der historische Jesus Mensch war, nicht Gott?
Diese Aussage ist das Ergebnis der historisch-kritischen Methode der Bibelkritik. Hier einige Argumente:
Die kommende Gottesherrschaft, ein Zentrum der Predigt Jesu, war ein Irrtum, aber Gott irrt nicht. Für das Menschsein Jesu spricht weiter, dass er beim ältesten Evangelisten Markus weder allwissend ist (keine Kenntnis des genauen Zeitpunkts des Jüngsten Tags, Mk. 13,32), dass er in Nazareth „kein Wunder vollbringen konnte“ (Mk. 6,5). Nicht umsonst werden viele Fragen Jesu bei Markus („Wie heißt du?“ Mk. 5,9) bei den späteren Synoptikern (Autoren der drei ähnlichen Evangelien des Markus, Matthäus und Lukas) unterdrückt. Auch ist Jesus nicht absolut gut, fragt er doch bei Markus einen Reichen: „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein.“ (Mk. 10,18)
Deshalb ergibt sich als logischer Schluss: Alle Textstellen, die Jesus als Gottessohn bzw. Gott bezeichnen – bei Markus sehr spärlich -, sind spätere Erfindungen.
4 Jesus und die Frauen
Jesus sieht die Frauen nicht als minderwertig an. Bei Markus und Lukas verbietet Jesus die Ehescheidung absolut, bei judenchristlichen Matthäus erlaubt er sie im Fall der Unzucht der Frau.
Der geglaubte Jesus
5 Vom historischen zum geglaubten Jesus: Paulus
Paulus, der vom Christenverfolger nach einem Bekehrungserlebnis zum Anhänger Christi wurde, wird von manchen geradezu als Schöpfer des Katholizismus aufgefasst. Seine Bedeutung als Theologe ist enorm. Paulus „propagierte nun den schon vor ihm in den heidenchristlichen Gemeinden auf Jesus übertragenen Mythos vom sterbenden und wieder auferstehenden Gottessohn, einen Glauben, der bereits Jahrhunderte bekannt gewesen war.“ (Deschner, S. 198) Das war die Voraussetzung, dass die Heiden massenhaft übertreten konnten.
Dieser Gottessohn erlöst die Menschen durch seinen Opfertod am Kreuz, indem er deren Sünden durch seinen Tod auf sich nimmt. Dieser Gedanke kommt aus dem Alten Testament im Anschluss an
Jesaja 53, wo der Knecht Gottes als von Gott gesandter Erlöser der Welt (= Messias) vorgestellt wird.
Der neue Gott Jesus ist also eine Kombination aus dem Messias nach Jesaja 53 und dem Typus einer griechisch- hellenistischen Mysteriengottheit. Mit der von den griechischen
Mysterienreligionen geprägten Auffassung von Jesus als einem präexistenten (prä= lat. vor: vor seiner Niederfahrt zur Erde im Himmel bereits existierend), vom Himmel niedergefahrenen, auf Erden wirksamen und sterbenden und zuletzt wieder auferstandenen Gott gewinnt die griechische Vorstellung des individuellen ewigen Lebens enorme Bedeutung.
An die Stelle der Naherwartung des Anbruchs des Reiches Gottes tritt nun dessen Fernerwartung. An die Stelle des Menschen Jesus mit seiner Liebesethik tritt der Gott Jesus. Statt des Glaubens Jesu mit seiner Liebesethik (Liebe als Leitmotiv des Handelns) wird der Glaube an Jesus selbst zentral.
Wer das Johannesevangelium liest, lernt einen Gott kennen, der auf Erden wandelt und strikt nach Gottvaters Plan und Auftrag stirbt.
6 Das christliche Glaubensbekenntnis
Die Kirchen haben ihren Glauben in Glaubensbekenntnissen fixiert. Diese geben den Kirchenstandpunkt wieder, decken sich aber mittlerweile längst nicht mehr mit dem Glauben der Masse der Kirchenmitglieder, die ihren Glauben individuell nach eigenem Gefallen definieren.
Hier das Apostolische Glaubensbekenntnis Extern
7 Christliche Konfessionen / Richtungen
Katholizismus | Protestantismus | Calvinismus
8 Weitere Religionen zum Vergleich
Judentum | Islam
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